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Jun

Roger Schaeli wiederholt den „Zauberlehrling“

Roger Schaeli Zauberlehrling

Roger Schaeli und Gian Sebregondi gelingt am 21. Juni 2012 die erste Eintages-Rotpunkt-Begehung der Route „Zauberlehrling“. Genau 24 Stunden nachdem Roger und Gian losgegangen sind, stehen sie hundemüde in ihren Kletterfinken beim Auto. In Kletterfinken haben sie den ganzen Abstieg, zum Teil über Schnee, hinter sich gebracht, weil sie in der dunklen Nacht das zweite Band mit den Rucksäcken nicht mehr gefunden haben. „Wir entschieden uns, zu biwakieren, um dann am Morgen unser Material zu holen. Doch um zwei Uhr morgens begann es so stark zu gewittern, dass wir uns nass und frierend zum Abstieg in Kletterschuhen entschieden. Ebenfalls eine Geschichte, die dieses Abenteuer unvergesslich macht“, blick Roger Schaeli zurück.

Roger Schaeli fühlt sich wie Harry Potter
Der Sörenberger Kletterer Roger Schaeli (34) checkte bereits letzten Sommer die Route „Zauberlehrling“ zusammen mit Erstbegeher Christoph Hainz aus. Die dritte Seillänge ist schon 9-, die fünfte dann 9. „Mein Fazit an diesem Tag war: Ganz schön kühn. Die Hauptschwierigkeit wird nicht sein, die 9 und 9- sturzfrei zu klettern, sondern all die vielen Seillängen im sechsten, siebten und achten Grad. Denn in diesen Seillängen steckt oft wenig bis kein Material und die Wegfindung und Kletterei wird dort Nerven erfordern“.

Junger Kletterpartner Gian Sebregondi
Nicht nur die weite Reise stellte sich als Hindernis dar. „Auch am Tag x den idealen Kletterpartner zu finden, ist manchmal fast so schwierig, wie die Kletterei selber. Meistens hab ich Glück, aber diesmal war es fast unmöglich jemanden zu finden, da die meisten Kletterpartner als Bergführer unterwegs waren oder die Reise und/oder die Kletterei war zu anstrengend“, erklärt Roger Schaeli. Als letzte Möglichkeit hat er sich an sein SAC-Alpin-Team gewandt. „Da ich aber wusste, dass wir uns gerade auf unsere Expedition nach Peru vorbereiten, hab ich nicht mit einer positiven Antwort gerechnet. Doch als ich mich am letzten Dienstag schon damit abgefunden hatte, diesmal niemanden zu finden, hat sich Gian Sebregondi (22, Lenzerheide) gemeldet. “Am nächsten Mittag befanden sich die zwei schon in Rogers Bus Richtung Dolomiten.

Zauberei in der Wand
Nach dem Kaffee aus Rogers Mocca Maschine um 4 Uhr früh ging es los zum Wandfuss. „Mit den ersten Klettermetern verschwand wie auf Knopfdruck meine Nervosität. Als ich auf Anhieb die dritte 9- und die fünfte 9er Seillänge hinter mich brachte, spürte ich plötzlich, dass ich heute wirklich eine Chance haben könnte, etwas zu zaubern“. Zwei Fragezeichen hatte Roger noch: Zum einen begann es ringsherum zu regnen und gewittern. Zum anderen wusste er nicht, ob Gian bereit war, durchzustarten, denn die Quergänge mit Rucksack nachzusteigen, ist nicht ohne.

„Verdammt, war das stressig“
Auf dem ersten Band, nach zehn Seillängen, gönnten sich die zwei Kletterer eine erste verdiente Pause. Die Gewitter entluden sich lautstark an der benachbarten Sella-Gruppe, sie blieben bis auf ein paar Tropfen trocken. „Um eine Diskussion über den weiteren taktischen Verlauf zu vermeiden, klettere ich zugegeben ziemlich egoistisch und fokussiert weiter. Im mittleren Wandteil gibt es einige sehr exponierte Quergänge, die Gian im Nachstieg souverän kletterte.“ Kurz unter dem zweiten Band erreichte die Gewitteraktivität im Val Badia scheinbar ihren Höhepunkt. Die PacLite-Jacke war schon angezogen und der Biwacksack griffbereit am Gurt baumelnd, um bei Niederschlag sofort Schutz zu haben. Roger Schaeli: „Verdammt, war das stressig.“ Auf dem zweiten Band angekommen, trennten Roger Schaeli noch genau sechs Seillängen von seinem grossen Traum. „Jetzt setzten wir alles auf eine Karte und liessen unsere Rucksäcke mit Abstiegsschuhen, Notapotheke, Essen und Getränken zurück“. Die immer grösser werdenden Tropfen jagten Roger und Gian richtiggehend die Wand hoch.

Vogelwild wie die Bergdohlen
„Mit tiefen Atemzügen konnte ich meine gewohnte Ruhe und Sicherheit wieder finden. Ich wurde eins mit dem Berg und fühlte mich in dieser unwirklichen, steilen, exponierten und brüchigen Landschaft wohl. Es war ein wunderbares Gefühl!“, betont der Sörenberger Profi-Alpinist. In der zweitletzten, also 22. Seillänge, quert man nochmals vogelwild in die überhängende Gipfelwand zum Grande Finale. Da hingen sie nun, am Standplatz Nummer 21, an zwei alten Haken mit 500 Meter Luft unter dem Hintern. Nun galt es ernst: „So Roger, wenn du diese kühne Seillänge in 8+ auch noch sturzfrei schaffst, hast du die Zauberlehrlingsprüfung bestanden“, ging es Roger durch den Kopf. „Mit bereits etwas kalten Fingern und geschwollenen Füssen kletterte ich endlos motiviert los. Es war, als ob ich nie was anderes gemacht hätte, als zu klettern. Auch die Sturzangst war verschwunden. Ich fühlte mich wie die Bergdohlen, die mich oft als einziges Lebewesen an solchen exponierten Stellen besuchen und dabei immer so souverän wirken“, beschreibt Roger Schaeli (Roger Schaeli/cc/ss).

Fotocredit: ©  Gian Sebregondi.